Zu viel Geld – Referent führt Krise auf Kapitalmenge zurück
Bericht über die Veranstaltung „Ich krieg die Krise!“ mit Werner Raetz
Tübingen. Die Deutschlandtournee der Interventionistischen Linken (eines Bündnisses verschiedener Gruppen, das zum Beispiel die Proteste gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm mitorganisierte) zur aktuellen Krise der Weltwirtschaft führte Werner Raetz auch ins Tübinger Erasmushaus zu einem Vortrag vor dreißig Interessierten. Eingeladen hatte ihn die Gruppe ZAK zusammen mit der Linksjugend Solid und Attac Tübingen.
Werner Raetz, seit Jahrzehnten in der Friedens- und globalisierungskritischen Bewegung aktiv, machte gleich zu Beginn seines Vortrages klar: Die Unterscheidung von Finanzwirtschaft und Realwirtschaft ist unzutreffend. Denn natürlich sei auch die Finanzwirtschaft real. Schon 1981 machte Daimler-Benz ganz real mehr Gewinne über Börsengeschäfte als über den Verkauf von Fahrzeugen.
Die derzeitige Krise also als Finanzkrise zu bezeichnen, sei verharmlosend. Es handele sich vielmehr um eine schwere Krise des gesamten kapitalistischen Weltwirtschaftssystems. Der Krise liege ein zentrales Problem zugrunde: Wohin mit dem vielen Geld? Es gelinge den Unternehmen und Großaktionären nicht mehr, ihre riesigen Kapitalsummen ausreichend profitabel zu verwerten und den im Kapitalismus nötigen Wachstumsprozess in Schwung zu halten.
Was also tun? Da der Sturz des kapitalistischen Systems nicht vor der Tür steht, empfiehlt Raetz, dem Kapitalkreislauf soviel wie möglich Reichtum zu entziehen. Und zwar für die Sicherung des sozialen Lebens. Dies möglichst staatsfern und selbstverwaltet. Aus ökologischen und sozialen Gründen benötige man eine Schrumpfung der Wirtschaft bei gleichzeitigem bedingungslosem Grundeinkommen für alle. Aneignungskampagnen, etwa Forderungen nach kostenlosen Kitas, Schulessen oder „Tü-Bus umsonst“, sollten an vielen Orten zu verschiedenen Themen gestartet werden.
Auch eine bundesweite Initiative zur Abschaffung der Riester-Rente würde in die richtige Richtung weisen. Die Vernachlässigung des traditionellen Umlageverfahrens durch die staatliche Förderung der kapitalgedeckten Rente trage zur derzeitigen Krise bei. Es profitieren in der Regel nicht die Versicherten sondern nur die Versicherer, wovor schon Norbert Blüm warnte. Für den 25. Januar lud Raetz zum „Antikapitalistischen Ratschlag“ der Interventionistischen Linken in Frankfurt ein.