Redebeitrag von [’solid] auf der Rock gegen Rechts-Demo in Bietigheim

„Nazis machen auf sozial“

In den letzten Jahren ist eine neue Entwicklung am rechten Rand zu beobachten: Nazis versuchen zunehmend sich als „Soziale Protestbewegung“ zu verkaufen. Vor allem die sogenannten „Freien Kameradschaften“ bezeichnen sich auch gerne als „revolutionär“. Diese Sorte Nazis „marschierte in den letzten Monaten immer häufig durch verschiedenste Orte in Baden-Württemberg. Sie versuchen dabei auch immer wieder bestehende sozialen Bewegungen zu unterwandern, etwa die Proteste gegen Sozialabbau. Auch „klauen“ sie gerne linke Slogans und Symbole. Als „autonome Nationalisten“ treten sie mit schwarzen Kapuzis oder HipHopper-Klammotten auf und malen ihre Transparente im Grafittistil.

Zudem präsentieren sich die neuen Nazis als „antikapitalistisch“. Zu diesem Zweck stellen sie heute ihre sogenannte „Kapitalismuskritik“ in den Vordergrund. Diese ist analytisch verkürzt und antisemitisch. Unfähig, einigermaßen zu verstehen wie der Kapitalismus funktioniert, schieben sie den Grund für seine Existenz kurzerhand auf eine konstruierte „Jüdische Weltverschwörung“. Sie schwaffeln von gutem, deutschen, schaffenden Kapital und bösem jüdisch-amerikanischen raffenden Kapital. Nichts neues also bei den Nazis: am Ende sollen doch wieder Jüdinnen und Juden die Ursache allen Übels der Welt sein – das ist klassischer Antisemitismus. Statt aber wie früher nur offen rassistisch gegen MigrantInnen zu hetzen, versuchen sie es jetzt mit verkürzter Kampitalismuskritik. Aber lassen wir uns nicht täuschen: Hinter der sozialen Demagogie, versteckt sich die antisemitische, rassitische und faschistische Ideologie der Nazis.

Denn Nazis waren nie sozial, und sie werden es auch nie sein ! Damals wie heute basiert ihr Konzept auf Ausschluss und Vernichtung all derer, die nicht in ihr Bild von der sogenannten „Volksgemeinschaft“ passen. Wie üblich halluzinieren die Nazis ihr eigenes „Volk“ als ständig existenziell bedroht. Egal ob MigrantInnen, JüdInnen, Lesben und Schwule, KommunistInnen, GewerkschafterInnen oder Behinderte – wer nicht „reinrassig deutsch“ und leistungsfähig genug ist, wird als “Volksfeind“, „krank“ oder „lebensunwert“ denunziert. Wo sich den Nazis die Gelegenheit bietet, werden solche Menschen von ihnen drangsaliert, verfolgt und ermordet. Erst letzte Woche haben Nazis in Hessen ein linkes Camp in der Nacht brutal überfallen und dabei ein Mädchen schwer verletzt.

Auch wenn sie sich das Etikett anheften: „revolutionär“ ist an Nazis gar nichts. Dazu müssten sie die derzeitige Gesellschaft grundlegend in Frage stellen. Genau das Gegenteil ist aber der Fall: Sie überspitzen lediglich Werte und Vorurteile die auch die heutige Gesellschaft bereits prägen. Rassistische und antisemitische Ressentiments und die Vorliebe für Sekundärtugenden wie Ordnung, Sauberkeit, Pünktlichkeit usw. sind auch heute weit verbreitet. Die Nazis erfinden diese nicht selbst, sie übernehmen sie aus der Mitte der Gesellschaft und spitzen sie zu.

So weit – so peinlich – so dumm. Aber trotzdem gefährlich! Dass sie dumm sind, macht sie nicht weniger gefährlich. Gefährlich werden sie vor allem durch falsch verstandene Toleranz, durch Wegschauen und Ignorieren. Gefährlich werden Nazis , wenn sie in sozialen Bewegungen Anknüpfungspunkte finden. Insofern müssen wir dort immer klar machen, dass unsere sozialen Forderungen für alle Menschen gelten und verkürzte Kapitalismuskritik wie etwa das Heuschreckenbashing keinen Platz haben darf.

Her mit dem schönen Leben – für alle und überall! Verhindern wir das menschenverachtende Treiben der Nazis!


Weiter Infos zum Nazi-Überfall auf das [’solid]-Camp in Hessen:
http://www.solid-hessen.de/